7. DRACHENTRÄNE 1

Der Doktor 

Drachenträne

(1. Teil)

(Der Bund von Torn)

auch unter: https://subkultur.drachenserver.de/index.htm


Sie kamen bei Nacht...

Sie stürmten ihr Haus...

Und sie nahmen sie mit...

Elyssa hatte gerade noch bei sich im Bett gelegen und friedlich geschlafen, als sich eine stinkende, dreckige Orkhand auf ihren Mund legte. 

Im nächsten Moment war sie geknebelt und ihr wurde ein Sack über den Kopf gestülpt.

 Dann wurde sie aus dem Bett gerissen und weggetragen.

 Sie zappelte mit den Beinen und versuchte den Knebel irgendwie los zu werden, doch alles war nutzlos. 

Sie konnte durch ihren Sack nur mehrere orkische Stimmen ausmachen, die sich in einer ihr unbekannten Sprache unterhielten, während sie durch die Nacht getragen wurde. 

Da es keinen Sinn hatte, weiter seine Kräfte damit zu vergeuden, sich zu wehren, dachte sie lieber über ihre Situation nach - 

denn sie wusste ziemlich genau, wer hinter ihrer Entführung steckte...



Es war nun ein halbes Jahr her, seitdem Saladrex gekommen war. 

Sie wusste noch genau, dass die Nacht vor seiner Ankunft eine bedrohliche Atmosphäre hatte.

 Die Hunde hatten verrückt gespielt und die ganze Nacht hindurch gebellt. 

Immer wenn sie zum Fenster ging, hatte sie ein Gefühl, als ob sie beobachtet werden würde.

 Und dann, am nächsten Morgen, stand er einfach so vor der Haustür: Ein schlanker, junger Mann, hoch gewachsen, mit kantigem Gesicht und braunem, kurzem Haar. 

Eigentlich war er ziemlich hübsch, doch in seinen Augen lag ein Funkeln und ständig umspielte ein angedeutetes Lächeln seine Lippen, was sie von Anfang an misstrauisch machte. Er hatte mit heller, aalglatter Stimme gesagt:


"Oh, äh, hier wohnt doch der Protektor dieses Landstrichs, Edmund Schneedolch, oder?"


"Euch auch einen guten Morgen! Ja, der wohnt hier."


Ihr Haus war das Einzige im Umkreis von 2 Meilen - der Mann konnte sich schlecht im Haus getäuscht haben.


"Wen soll ich melden?"


"Gut, mein Name ist Saladrex, ich möchte ihn sprechen!", war die relativ barsche Antwort.



Sie sah ihn erst einmal an und fragte sich, ob sie ihn ob seines rüden Verhaltens zurechtweisen sollte, ließ es aber dann und ging zu ihrem Vater in die Küche - der Mann war ihr irgendwie unheimlich...


"Vater? Da ist ein gewisser Saladrex vor unserem Haus. Er möchte dich sprechen."


Ihr Vater war nun schon in die Jahre gekommen, aber immer noch ein relativ kräftiger und stämmiger Kerl.


"Hm, Saladrex? Noch nie gehört, den Namen... Warte hier, ich werde mit ihm reden."


Edmund ging in Richtung Haustür. Danach konnte sie die beiden Männer miteinander reden hören - doch worüber sie genau sprachen, verstand sie nicht. Nach einer Weile kam ihr Vater mit einem Stirnrunzeln auf dem Gesicht 


zurück in die Küche.


"Und, was wollte er von dir?"


"Ein seltsamer Mensch... Er scheint hier neu zugezogen zu sein und wollte alles über die Ländereien und die Dörfer hier wissen.

 Besonders interessiert war er an meiner Position als Protektor. Er hat mich alles darüber gefragt: Was der Protektor zu tun hat, wann er gewählt wird, wie das mit den Steuern ist... 

Und dabei hat er mich dann die ganze Zeit ganz komisch angesehen. Irgendwie unheimlich, dieser Mann, findest du nicht?"


Sie nickte nur. Der Mann war ihr nicht unheimlich - sie hatte Angst vor ihm!

Ein paar Wochen später verschwanden dann die ersten Kinder aus Valyris, dem größten Dorf in der Umgebung.

 Besorgte Eltern kamen zu ihnen nach Hause und baten ihren Vater um Hilfe. 

Als Protektor war es schließlich seine Aufgabe, die Ländereien vor Räubern, Orks und sonstigen Übeln zu schützen.

 Trotz seines fortgeschrittenen Alters erledigte er seine Aufgabe immer noch auf eigene Faust und das nicht einmal schlecht.

 Er war nun schon seit 14 Jahren im Amt, da es noch nie ernsthafte Konkurrenten für diesen Posten gab. Das sollte sich in den nächsten Monaten jedoch ändern...

Ihr Vater zog also los, um die verschwundenen Kinder zu suchen, doch alles, was er herausfand, war, dass sie anscheinend von Orks verschleppt worden waren.

 Und obwohl er das gesamte Land zur Suche nach den Kindern mobilisierte, war das Versteck der Monster nicht auszumachen. 

Als man dann die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, kam Saladrex mit den verlorenen Kindern im Schlepptau nach Valyris.

 Und alle Kinder erzählten ungefähr dieselbe Geschichte: Dass sie von den Orks verschleppt und in ein geheimes Lager gebracht worden waren und dass sie in

 abgedunkelten Käfigen lange eingesperrt waren, bis sie schließlich eines Tages Kampfschreie im Lager der Orks hörten und sie dann von dem netten Saladrex gerettet wurden. 

Die Eltern der verlorenen Kinder waren natürlich allesamt überglücklich und bedankten sich viele Male bei Saladrex.

 Dies sollte sein erster Schlag gegen die Autorität ihres Vaters gewesen sein. 

In den nächsten Wochen und Monaten gab es dann immer wieder Probleme mit Orks, Räubern, Monstern, Krankheiten und anderen Übeln, gegen die Elyssas Vater nichts,

 sondern anscheinend nur Saladrex etwas ausrichten konnte. So war es dann auch nicht verwunderlich, dass ihr Vater in der Gunst des Volkes immer mehr sank und Saladrex die folgenden Wahlen zum neuen Protektor haushoch 


gewann. Ihr Vater war besiegt. Doch, wie es so seine Art war, nahm er es auf die leichte Schulter und sagte:


 "Lass mal gut sein, Elyssa! Ich bin bereits alt und schwach - es wird Zeit, dass jemand anders diesen Job übernimmt." 


Sie dagegen nahm es überhaupt nicht auf die leichte Schulter. Saladrex hatte ihnen alles genommen: Geld, Arbeit, Freunde... 

Das einzige, was blieb war ihre Hoffnung, irgendwie neu anfangen zu können.

 Doch Saladrex schien noch nicht genug zu haben, wie ihre Entführung vermuten ließ - und sie war sich absolut sicher, dass Saladrex mit den Orks im Bunde stand.

"Wie lange wollt ihr mich denn noch hier im Nachthemd durch die Kälte tragen, ihr Drecksäcke? Und wäret ihr auch mal so freundlich, mir diese Kapuze ab zu nehmen?", fragte sie frierend. Die Orks gaben ihr keine Antwort. 


Entweder verstanden sie ihre Sprache nicht oder sie wollten ihr nicht antworten... 

Egal, es kam auf das Gleiche hinaus.

Nach einer kalten Ewigkeit, wie es ihr erschien, erzeugten die Schritte auf dem Boden plötzlich einen Hall. 

Sie hatten also irgendein großes Gebäude oder eine Höhle betreten.

 Es kam ihr auch vor, als wären sie durch eine unsichtbare Barriere geschritten und die kalte Luft der Nacht verwandelte sich in eine wohlige Wärme. 

Kurz darauf ging es eine Treppe hinunter, immer weiter abwärts.

 Elyssa fragte sich schon, ob dies die Treppe direkt in die Hölle sei, da ging es waagerecht weiter. 

Nach kurzer Zeit hielt der Ork, der sie trug, an. 

Die Kapuze wurde ihr abgenommen und sie wurde auf den Boden gestellt. 

Es war ein verdammt gutes Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und nicht die ganze Zeit auf einem schwankenden Orkrücken durch die Landschaft transportiert zu werden.

Sie stand nun in einer kleinen Zelle und die Orks machten sich gerade daran, den kleinen Raum zu verlassen und die vergitterte Tür, die ihn von dem Gang dahinter abtrennte, zu zu schließen. Bevor Elyssa etwas sagen konnte, 


waren sie außer Sicht.

 Na toll!, dachte sie sich und sah sich in ihrer Gefängniszelle um. Die einzige Einrichtung, die es hier gab, war eine kleine Pritsche und ein dreckiger, stinkender Nachttopf. Machen wir das Beste draus!

Sie legte sich hin - die Nacht war für sie schließlich sehr kurz gewesen - und schlief, trotz der mehr als ungemütlichen Pritsche, wieder ein. 

Sie wachte auf, als ein Ork ihre Zelle aufschloss. Sie kam schnell aus ihrem ungemütlichen Bett und stellte sich an die Wand.

Der Ork betrachtete sie seltsam. Er hielt ein Tuch in der Hand - es war eine Augenbinde.


"Oh nein! Keine Augenbinden mehr! Hat Saladrex Angst, dass ich mich über seine lächerliche Gestalt lustig mache oder warum muss er mir unbedingt die Augen verbinden?", fragte sie trotzig.


"Saladrex hat befohlen und Befehl muss ausgeführt werden, ansonsten Saladrex böse. Nicht gut, wenn Saladrex böse sein, er dann schlimm Ding tun!", war die gebrochen gesprochene Antwort des Orks.


Sie hatte also Recht gehabt. Saladrex steckte hinter ihrer Entführung.


"Oh, was macht er denn Schlimmes? Läuft er rot an und schreit herum?", fragte sie schnippisch.


Der Ork lachte auf: "Haha! Guter Witz! Rot anlaufen! Haha!"


Elyssa verstand nicht, was daran so lustig war. Vielleicht laufen Orks nicht rot an?


Der Ork sprach weiter: "Nein, Meister hat befohlen! Du kriegen Augenbinde!"


Er kam auf sie zu und machte Anstalten, ihr die Augenbinde umzulegen, doch sie wehrte seinen Arm ab. Er schaute sie mit seinen Schweinsäuglein nur schief an - und schlug ihr dann ins Gesicht, so heftig, dass sie durch den Raum 


stolperte und auf ihre Pritsche fiel. Noch während sie benommen war, legte der Ork ihr schnell die Augenbinde um und zurrte sie fest. Dann zog er sie brutal hoch und zerrte sie aus ihrer Zelle hinaus und den Gang herunter. 


Nachdem sie um mehrere Kurven und durch mehrere Gänge oder Räume gegangen waren, sagte der Ork: 


"Achtung, Treppe!"


Dann nahm er sie dichter an seinen stinkenden Körper. Jeder Versuch, sich zu wehren, war vergeblich, der Griff des Orks war hart wie Stahl. Schritt für Schritt ging es also die Treppe hinunter. Die Stufen erschienen ihr unnatürlich 


groß und diese Treppe kam ihr fast genauso lang vor, wie die erste. Irgendwann müsste ich aber wirklich in der Hölle angekommen sein... 

Aber auch diese Treppe hatte irgendwann ein Ende. Ihre Schritte erzeugten nun wieder einen Hall, sie befanden sich also in einer großen Halle. Eine Stimme ertönte:


 "Ah! Da ist die Kleine ja!"


Es war eindeutig Saladrex' Stimme. Sie klang jedoch irgendwie unwirklich und fern, wie in einem Traum. Dennoch hatte sie nichts von ihrer eigenen, ruhigen Schärfe eingebüßt.

"Sie ist verletzt!", sagte die Stimme.

Und der Ork neben ihr antwortete, noch während sie liefen:


 "Ich sie schlagen musste, Meister, sie nicht bereit, sich Augenbinde anlegen lassen und ihr befohlen hattet..."


"Ich weiß, welchen Befehl ich gegeben habe, und zwar, dass ihr unter keinen Umständen ein Leid zugefügt werden darf!", unterbrach ihn Saladrex wütend. 


Innerlich war sie schadenfroh. Jetzt hatte der rüde Ork ihn doch noch wütend gemacht! Ihr Peiniger ließ sie nun los.


"Aber nur wollten...", stammelte er.


Saladrex erwiderte nur: "Ich habe keinen Nutzen für Untergebene, die meine Befehle nicht befolgen!"


Irgend jemand holte tief und vor allem laut Luft. Dann gab es ein seltsames, rauschendes Geräusch, neben ihr ertönte der Schrei des Orks und ein Schwall extremer Hitze überkam sie. 


Elyssa schrie ebenfalls auf. So schnell, wie sie gekommen war, war die Hitze auch wieder weg.


"Entschuldige! Diese rohe und ungehobelte Behandlung ist nicht meine Absicht - jedenfalls noch nicht!", sagte die Stimme Saladrex' nun etwas freundlicher.


"Was...was soll das alles? Warum die Augenbinde? Warum überhaupt die ganze Folter für mich und meinen Vater, wir haben euch nichts getan!", sagte sie, langsam von Angst in Wut übergehend.


Saladrex lachte ein böses, kleines Lachen über ihre Eskapaden.


"Tut mir leid, Elyssa, aber das ist alles nötig! Jetzt gerade habe ich doch gefallen daran gefunden, deinen Vater ein wenig zu ärgern...", während er dies sagte, schien sich seine Stimme von einem Punkt rechts von ihr sich über ihren 


Kopf hinüber auf ihre linke Seite zu bewegen.


"Ihn ärgern? Ihr habt sein und damit auch mein ganzes Leben zerstört! Ihr findet das wohl witzig?", sie war völlig entrüstet.


"Irgendwie schon, ja! Aber er war natürlich auch mein Konkurrent - und nirgendwo steht geschrieben, dass man die Wahl zum Protektor nicht mit ein wenig...unkonventionellen Mitteln beeinflussen durfte...", seine Stimme 


wanderte nun um sie herum und schien immer woanders her zu kommen, was sie langsam zum Ausrasten brachte:


 "JETZT HÖRT AUF MIT DIESEN SPIELCHEN UND NEHMT MIR DIESE AUGENBINDE AB ODER ICH WERDE KEIN WORT MEHR MIT EUCH REDEN, KLAR?"


Ein seltsames Geräusch, eine Art Schnauben ertönte, dann wieder Saladrex' Stimme, diesmal wieder direkt vor ihr:


 "Nun gut, ich sehe schon, du meinst es ernst"


Die Augenbinde an ihrem Kopf knotete sich wie von selbst auf und fiel ab, so dass sie Saladrex erblickte.

Nun, Elyssa hatte in ihrem Leben noch nie zuvor einen Drachen gesehen, doch das gigantische Biest, dessen Schnauze sich nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht befand und das sie mit großen, gelben Augen anstarrte, musste 


wohl einer sein.


Der Drache sagte: "Buh!", was seine Wirkung nicht verfehlte - Elyssa fiel in Ohnmacht.


Als sie wieder zu Bewusstsein kam, lag sie in einem Kreis aus roten Schuppen. Wie eine Mauer ragte der mit Stacheln besetzte Körper des Tieres um sie herum auf. 

Oh Gott, der muss mindestens 30 Meter lang sein!, dachte sie. Auf seinem Kopf saßen zwei elegant nach hinten geschwungene Hörner und die beiden gelben Augen darunter schienen sie noch immer belustigt anzustarren. Als sie 


ihn so betrachtete, fiel ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit seiner menschlichen Gestalt auf. Er war zwar in gewisser Weise schön, doch gleichzeitig auch gefährlich und zwielichtig.

Nach mehreren Minuten des Anstarrens unterbrach die schneidende Stimme des Drachen die Stille: "Ich finde das immer wieder faszinierend, wie mich die Menschen anstarren, wenn sie mich das erste Mal sehen... Meistens ist es 


jedoch auch das Letzte, was sie je sehen." 

Er machte etwas, dass wohl ein Lächeln sein sollte. 

Irgendwie schaffte sie es, sich zusammen zu raffen und zu sagen:


 "Was soll das alles hier? Ihr seid doch Saladrex oder?"


"Nein, ich bin sein Schoßtier!", erwiderte er sarkastisch,

 "Und was das alles hier soll, fragst du? Nun, ich will es dir erklären: Wenn ein Drache sich irgendwo niederlässt, nimmt er gleichzeitig Anspruch auf ein großes Gebiet rund um seinen Hort.

 Sicher wäre es in meiner wahren Gestalt sehr viel einfacher gewesen, dieses Gebiet für mich zu erobern, doch es hätte nur zu viel Aufmerksamkeit erregt, wenn auf einmal nicht mehr Edmund Schneedolch, 

sondern der Drache Saladrex die Ländereien hier beherrscht. Sofort hätte jeder gewusst: "Oh, im Schneedolch lauert ein garstiger Drachen!" Du weißt gar nicht, wie es nervt, ständig in Sorge zu sein, dass einem selbst nach 


kurzzeitigem Verlassen der Höhle die Hälfte des mühsam angesammelten Schatzes fehlt!

 Nun, die Methode, die ich angewandt habe, um Protektor zu werden, war viel unauffälliger - es bleibt nur der eklige Nachgeschmack, dass ich all diese Menschen "retten" musste... 

Aber ich habe ihnen ihr Leid ja auch zugefügt, das gleicht die ganze Sache auch wieder ein wenig aus.

 Nun, leider wird es sich nicht sehr lange vermeiden lassen, meine wahre Identität vor der Öffentlichkeit zu verbergen - aber dann können sie meinetwegen alle ankommen und sterben!", 


zum Schluss schien er bloß noch mit sich selbst zu sprechen. Seine Selbstliebe machte sie schon jetzt krank.


"Und wie wollt ihr das mit eurem Protektor-Job regeln?", fragte sie ihn, halb aus Neugier, halb, um ihn von sich abzulenken - wer so lange über sich selbst redet, kümmert sich nicht mehr um andere. 


"Oh, natürlich werde ich hier nicht für alle Zeiten unbehelligt leben können, aber meine Höhle ist gut versteckt. 

Außerdem bekomme ich mit meiner "Arbeit" als Protektor, noch nebenbei ein wenig Gold für meinen Hort. Soweit habe ich da alles geklärt. 

Doch eine Sache ist noch zu erledigen... Dein Vater muss leider aus dem Weg geschafft werden!

 Es hat macht zwar Spaß, ihn zu quälen, doch er ärgert sich ja kaum, was mir den Spaß auch ein wenig lindert... 

Wie auch immer, er wird demnächst hier aufkreuzen, dafür habe ich gesorgt.", sagte er mit einem bedeutungsschwangeren Blick auf sie.


Entsetzen füllte sie. Er wollte mit ihrer Entführung Edmund hierher locken, um ihn dann umzubringen - und um wahrscheinlich hinterher mit ihr das Gleiche zu tun.


"Bitte... Bitte lasst meinen Vater leben! Er hat euch doch nie etwas getan und ich bin sicher, er würde euch auch nie etwas antun! Er hätte euch hier wahrscheinlich sogar in Frieden leben lassen, unbehelligt von der Außenwelt!", 


rief sie verzweifelt.


Saladrex lachte auf: "Ha, mir etwas antun! Weißt du, es ist mir egal, was dein Vater über mich denkt. Fakt ist: Er ist der Protektor dieses Landes und wir Drachen

 fügen uns niemals irgend einem menschlichen Herrscher, und wenn er noch so lieb und nett ist!"


"Dann...dann nehmt mich als eure Sklavin und verschont ihn, ich bitte euch..."


"Ich sagte nein und es bleibt dabei! Sobald er hier ankommt, weiß er über meine wahre Natur Bescheid und das kann ich nicht durchgehen lassen! 

Und wozu sollte ich eine Sklavin benötigen? Völlig nutzlos!", sagte er nun etwas ärgerlicher.


"Ich könnte..."


"HALT DIE KLAPPE!!!", brüllte er. Sie erkannte, dass es besser war, ihn nicht noch weiter zu provozieren. Das hätte wahrscheinlich ein böses Ende genommen.


Dann hörte sie Schritte. Als sie sich umdrehte, sah sie einen Ork die Treppe herunter kommen. Er blieb vor dem Drachen stehen, verbeugte sich und sagte:


 "Meister! Mensch in unsere Höhle eingedrungen, wie geplant ihr habt - einige von uns gegen ihn kämpfen."


"Sehr gut, doch werft ihm nicht zu viele entgegen, er soll doch bis hier durch kommen!"


"Ja, Meister!", der Ork verbeugte sich wieder, drehte sich um und ging fort.


Ihr Vater war also auf direktem Kurs ins Verderben... Mit den Orks wurde er spielend fertig, mit so einer Plage hatte er ja schon mehrmals zu tun. Ein Drache war da ein ganz anderes Problem.

"So, du wirst jetzt brav den Mund halten meine Süße, das ist eine Sache zwischen mir und deinem Vater!"


"Aber..."


"Ich sagte Mund halten!", er machte eine Bewegung mit seinen messerscharfen Klauen und sie verstummte.


Dann richtete er sich auf und deutete an eine Wand der riesigen Halle.


"Stell dich da hin!"


Wortlos folgte sie seiner Aufforderung. Erst jetzt fiel ihr auf, wie groß der Raum war:

 Von einem Ende zum anderen maß er mindestens 100 Meter und die Decke befand sich weit über ihrem Kopf. Wozu dieser Raum einmal gedient haben mochte? Es sah aber so aus, als wäre sämtliche Einrichtung schon vor Jahren 


entfernt worden.

 Im hinteren Teil des Raumes war ein riesiges Loch in der Wand. Vor dem Loch lag ein großer Berg aus Schätzen. Goldmünzen, Truhen, kostbar aussehende Schwerter, prunkvoll verzierte Bücher - sie wagte nicht, abzuschätzen, wie 


viel das alles wert sein mochte. Erst das erneute Geräusch von Schritten lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die große Treppe.

Ihr Vater kam mit gezogenem, blutigem Schwert diese Treppe hinunter.


Als er den Drachen sah, erstarrte er in seiner Bewegung. 

Was er jetzt wohl denkt?, fragte sie sich. Dann fiel Edmunds Blick auf sie.

 Langsam und ohne den Blick von dem Drachen abzuwenden, bewegte er sich langsam in ihre Richtung und sagte:


 "Geht es dir gut Schatz?"

"Ich denke schon...", war ihre Antwort.


"Gut...", sagte er zu ihr, dann zu dem Drachen, "Saladrex, nehme ich an?"


"Versucht gar nicht erst, sie zu erreichen, das werde ich schon zu verhindern wissen.", antwortete Saladrex.

Ihr Vater blieb stehen.


Dann sagte er: "Hört mal, ich möchte keinen Ärger mit euch, ich möchte einfach nur meine Tochter zurück haben und in Frieden leben können, ist das denn zu viel verlangt?"


"In gewisser Weise schon, ja! Ich kann zwar verstehen, dass ihr Euch nicht mit mir anlegen wollt, aber durch Euer Eindringen hier habt Ihr das leider zwangsläufig getan.

 Ihr versteht, dass ich euch nicht in der Weltgeschichte herumlaufen lassen kann, während ihr überall Drachentöter anheuert und fröhlich heraus posaunt, dass ich hier oben wohne?", war die Antwort des Drachen.


"Ich habe nicht vor, irgend jemandem zu erzählen, dass ihr hier haust, noch habe ich vor, eure Schätze zu stehlen, noch möchte ich euch töten, noch euch sonst irgendwie Schaden zufügen! Ich möchte nur Elyssa wieder haben!"


"Oh, Ehr glaubt doch wohl selber nicht, dass Ihr keine Hassgefühle für mich hegt! Ich habe Euch alles genommen! Alles, außer eines: Euer kleines, erbärmliches Leben! Es liegt in Trümmern, es ist doch sowieso nicht mehr viel 


wert, oder?"


"Doch! Solange meine Tochter lebt, hat mein Leben noch einen Sinn! Sogar mein Tod hätte noch einen Sinn, wenn Elyssa dafür leben könnte. Also, stellt mit mir an, was ihr wollt, aber lasst sie frei, ich bitte euch!", die Stimme ihres 


Vaters blieb die ganze Zeit über erstaunlich ruhig - sie bewunderte ihn dafür.

Der Drache nahm eine Klaue hoch und rieb sich das Kinn.


"Hmm, nun gut, ich will euch noch eine Chance geben: Wir spielen ein kleines Spiel! Es geht um Alles oder Nichts. Wenn ihr gewinnt, dürft ihr gehen und eure Tochter darf Euch begleiten - doch ich warne euch: Wenn ihr auch nur 


einem anderen Lebewesen von mir erzählt, seid Ihr tote Menschen! Ich habe Wege und Mittel, dies heraus zu finden. 

Solltet Ihr verlieren, werdet ihr sterben - und eure Tochter hier wird euch folgen!"


"Was ist das für ein Spiel?", fragte Edmund misstrauisch.


"Kämpft gegen mich! Solltet ihr länger als 2 Minuten überleben, schenke ich euch eure Freiheit!", der Drache grinste.


Elyssa fuhr empört auf:


 "Das ist doch völlig unfair! Er hat überhaupt keine Chance gegen Euch!"


"Elyssa, bitte! Misch dich da nicht ein!", sagte ihr Vater mit einem Seitenblick.


"Aber..."


"Ich sagte misch dich nicht ein!", unterbrach er sie mit Nachdruck und richtete sich wieder an Saladrex,


 "Ich gehe auf Euer Angebot ein, aber nur unter einer Bedingung: Kein Feuer, keine Magie eurerseits! Eure körperlichen Waffen gegen mich und mein Schwert! Zwei Minuten! Keine Sekunde länger!"


Saladrex grinste. Dann öffnete er eine Klaue und schloss die Augen. Eine kleine Sanduhr erschien. Er stellte sie neben Elyssa ab.


"Du wirst unser Schiedsrichter sein, Süße! Wenn ich Los! sage, drehst du die Sanduhr um, wenn die Sanduhr abgelaufen ist, schreist du Stopp!, alles klar? Und wehe du schummelst!", richtete er sich an sie, wie an ein kleines Kind, 


dem man eine simple Aufgabe ganz langsam erklären musste.


"Vater...", setzte sie an, doch er unterbrach sie wieder: 


"Nein Elyssa, bitte, versuch nicht, mich davon abzubringen! Du weißt, dass es unsere einzige Chance ist! Und jetzt setz dich dort hinten hin, wo du sicher bist und spiele deine Rolle als Schiedsrichter!

 Es sind nur zwei Minuten...und vielleicht bin ich doch nicht so schwach, wie ich immer behaupte", sagte er mit einem Augenzwinkern. 


Dann wandte er sich dem Drachen zu, während sie aufstand und die Sanduhr mit sich nahm. Weiter hinten in der Höhle nahm sie Platz und stellte die Sanduhr vor sich auf den Boden.

Saladrex richtete sich auf und breitete seine Flügel aus - es schien, als würde er sich strecken. Dann faltete er sie wieder zusammen und sagte laut:


 "Los!"


Elyssa drehte die Sanduhr um und die winzigen Sandkörnchen begannen durch den Hals der Uhr zu rieseln.

Zuerst starrten sich die beiden konzentriert an, der gigantische Drache, der mit seiner Gestalt den Raum in der Breite fast ganz ausfüllte und der kleine Mann mit seinem treuen Schwert, dass wie eine Stecknadel im Vergleich zu 


seinem Gegner wirkte.

Plötzlich zuckte der lange Schwanz des Drachen vor, um Edmund von den Füßen zu fegen, doch Elyssas Vater sprang geschickt hoch, um sich danach gleich unter einem folgenden Klauenhieb zu ducken. Und schon folgte der 


nächste Hieb, dem er sich mit einer gewandten Drehung entzog. Dann kam der riesige Kopf des Ungeheuers herunter geschnellt, um ihn mit seinen riesigen Zähnen zu zerreißen. Edmund warf sich flach auf den Boden und kurz 


über ihm schnappte das riesige Gebiss zu. Bevor der Drache merkte, dass er ins Leere gebissen hatte, rollte sich ihr Vater unter dem gewaltigen Schädel hervor und richtete sich genau unter dem Drachen wieder auf. Einen weiteren 


Klauenhieb lenkte er mit seinem Schwert von sich ab, doch dessen Wucht riss ihn zu Boden. Den Sturz fing er mit einer Vorwärtsrolle ab und kam auf den Rücken zu liegen. Schnell richtete er sein Schwert auf und erdolchte damit 


den auf ihn herunter kommenden Fuß. Der Drache brüllte auf vor Schmerz und riss die Klaue wieder nach oben, was Edmund allerdings sein Schwert kostete. Der Drache zog sich abfällig das Schwert aus dem Fuß, während ihr 


Vater die Zeit nutzte, um Abstand zu gewinnen. Sie konnte ihn nun nicht mehr sehen, da die riesige Gestalt des Drachen die Sicht versperrte. In der Aufregung hatte sie ganz vergessen, auf die Sanduhr zu sehen. Der gesamte Sand 


war fast durchgerieselt.


"Vater, die Zeit ist gleich um!", rief sie.


Dass das ihren Vater das Leben kostete, sollte sie nie erfahren. Nach ihrem Ruf war Edmund kurz in seiner Konzentration unterbrochen und wollte zu Elyssa sehen, die durch den riesigen Drachen jedoch verdeckt war. 

Er sollte sie nie wieder sehen. 

Saladrex nutzte den winzigen Moment der Unachtsamkeit und hieb mit der verletzten Klaue nach Edmund. Er sprang zwar zurück, doch seine Reaktion kam einen Moment zu spät. Er wurde mitten im Sprung getroffen und zur 


Seite geschleudert. In der Luft drehte er eine bizarre Pirouette und blieb dann bäuchlings auf dem Boden liegen. Ein roter Teppich begann sich unter ihm auszubreiten.


Saladrex sagte lakonisch: "Ups!"


Elyssa rief: "Die Zeit ist um!"


Der Drache bewegte eine Klaue und drehte Edmunds Körper auf den Rücken. Er hatte ihm die gesamte Bauchdecke weggerissen. Doch der widerwärtige Anblick kümmerte ihn wenig. Viel mehr interessierte er sich für die immer 


noch offen Augen, die ihn ansahen. Blut lief Edmund aus dem Mund, doch irgendwie konnte er noch folgendes röchelnd hervorbringen:


 "ich...lebe...no...noch..."

Saladrex holte wütend Luft und spie einen weißglühenden Feuerstrahl, der Edmund zu Asche verbrannte.


Elyssa schrie auf und rannte auf den Drachen zu. Dieser sah seine verletzte Klaue an - es hingen noch immer ein paar von Edmunds Innereien daran. Er schüttelte sie achtlos ab und zog sich das Schwert heraus. Dann kam Elyssa 


an, sah die Überreste ihres Vaters und blieb fassungslos stehen.


 "Nein!", flüsterte sie. Tränen sammelten sich in ihren Augen.


Der Drache sah sie schief an und sagte: "Oh, tut mir leid für dich! Weißt du, er war gar kein so schlechter Kämpfer - der Kampf hat direkt Spaß gemacht!"


Die Trauer verwandelte sich in blinden Hass. Mit Tränen in den Augen begann sie auf den Fuß des Drachen einzuschlagen und einzutreten und schrie dabei: 


"Du verdammter Bastard! Scheißkerl! Mörder! MÖRDER!!!"


"Ach halt doch die Klappe, Winzling!", war seine wütende Antwort und er schlug mit der Rückhand nach ihr.


Der Schlag war so heftig, dass er sie mehrere Meter weit weg schleuderte, wo sie benommen vor Schmerzen liegen blieb. Der Drache erschien über ihr, mit einem Blick, in dem so viel Wut lag, dass er Eis hätte schmelzen können. 

Gleich wird er mich töten, dachte sie und schloss die Augen.

Doch der tödliche Streich fiel nicht. Irgendwann öffnete sie ihre Augen wieder und sah einen sitzenden Drachen vor sich, der laut nachdachte.


"Hm...hm...ja...ja! Ja! Weißt du, ich habe dein Angebot noch einmal durchdacht - vielleicht brauche ich ja doch eine kleine Gehilfin... Du darfst meinetwegen als meine Sklavin weiterleben. Oder du kannst hier an Ort und Stelle 


sterben - die Todesart darfst du frei wählen. Deine Entscheidung: Leben? Oder Sterben?"


Sie richtete sich wieder auf. Der Schmerz war fast unerträglich, doch sie zwang sich zum Nachdenken.

Lieber würde ich sterben, als diesem Monster als Sklavin zu dienen! Doch andererseits... Vielleicht bietet sich mir irgendwann eine Möglichkeit zu entkommen? Ich würde es ihm heimzahlen!

 Ich würde die besten Drachentöter anheuern, die es gibt und dann würde ich ihn leiden lassen. 2 Minuten lang. Oh, es würden die längsten 2 Minuten seines Lebens sein! 

Sie stellte sich vor, wie ihre Drachentöter Saladrex langsam folterten, wie sie ihm die ganze Zeit eine seiner bescheuerten Sanduhren vor die Nase hielt 

und wie sie ihm zum Schluss das Schwert ihres Vaters direkt in den Kopf rammen würde. Ein süßer Gedanke in dieser schrecklichen Situation.


"Wie lautet deine Entscheidung, Elyssa? Sklaverei oder Tod?", fragte er sie mit einem kalten, durchdringenden Blick.


Sie schaute auf den Boden.


"Ich stehe zu eurer Verfügung...Herr.", war ihre Antwort.


"Oh, eine weise Entscheidung, meine kleine Elyssa, wahrhaft weise! Nun gut! Erst einmal: Solltest du deine Arbeit schlecht machen, werde ich dich bestrafen. Solltest du versuchen zu fliehen, werde ich dich töten. Solltest du 


versuchen, mir Schaden zuzufügen, werde ich dich langsam töten - so langsam, dass es dir wie eine Ewigkeit vorkommen wird. Hast du das verstanden?"


"Ja, Herr!", antwortete sie demütig.


"Gut! Vielleicht werde ich dich ja irgendwann mal freilassen...vielleicht werde ich dich auch irgendwann töten...mal sehen. Noch Fragen?"


"Ja Herr! Was soll ich als eure Dienerin machen?"


"Hm...du könntest damit anfangen, den Dreck, den dein Vater hier verursacht hat, wegzuräumen.", sagte er mit bösem Unterton.


Die Worte trafen sie wie ein Peitschenschlag. Doch sie zwang sich dazu ein "Ja, Herr!", hervor zu pressen.


"Gut! Hol dir von den Orks irgendwas zum Saubermachen!"


Sie überlegte: Das ist meine Chance, ich könnte versuchen zu fliehen. Aber wie lange wird er benötigen, um herauszufinden, dass ich weg bin? Wie lange wird er brauchen, um mich zu finden?

 Nein, jetzt kann ich noch nicht fliehen. Also, spiele den braven Sklaven, Elyssa. Irgendwann kommst du hier raus und zahlst es ihm heim...irgendwann...

Kurze Zeit später stand sie wieder vor der Asche ihres Vaters. Unter der ständigen Aufsicht von Saladrex machte sie sich daran, mit einem Besen die Überreste Edmunds auf ein Tuch zu fegen und dachte dabei: Nicht nachdenken, 


Elyssa, nicht nachdenken! Er will dich nur quälen, wie er es mit deinem Vater getan hat... Und hat sich dein Vater davon beirren lassen? Nein, er hat gesagt: Solange es noch Hoffnung gibt, ist das Leben lebenswert. Sie wiederholte 


es immer wieder: Solange es noch Hoffnung gibt... Das gab ihr Kraft mit ihrer schrecklichen Arbeit fertig zu werden. Als sie fertig war, legte sie das Tuch zusammen und fragte den Drachen mit der ruhigsten Stimme, die sie sich 


aufzwingen konnte:


"Habt Ihr noch weitere Aufgaben für mich, Herr?"


Ein Funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass Saladrex leicht verärgert darüber zu sein schien, dass sie sich so ruhig gab. 


Doch er antwortete ihr mit der gleichen Ruhe: "Nein, das soll fürs erste einmal genug sein. Du bist ja sicherlich ganz fertig! Ich werde jetzt ausfliegen und dir ein wenig Kleidung und was zu essen besorgen - wir wollen ja nicht, dass 


du gleich eingehst, nicht wahr?"


Er wusste, wie hart er sie mit diesem väterlichen Gehabe traf. Doch sie hatte nicht vor, sich davon beeinflussen zu lassen, darum antwortete sie nur mit einem "Danke, Herr!"


Er warf ihr nochmals einen seltsamen Blick zu, drehte sich dann um, ging zu dem großen Loch in seiner Höhle, breitete die Flügel aus, stieß sich vom Rand ab und flog weg. Sie stand nun alleine in der großen Halle und nutzte die 


Zeit, um sich umzusehen. Zuerst ging sie zu dem großen Loch, aus dem eben noch Saladrex' mächtiger Körper verschwunden war. Die steinernen Ränder des Lochs waren glasiert, wie weggeschmolzen. Anscheinend hatte sich der 


Drache den Eingang zu seiner neuen Heimat in den Fels gebrannt. Vor ihr breiteten sich die Ländereien ihres Vaters aus.

 Ex-Ländereien, verbesserte sie sich in Gedanken. Saladrex' Höhle musste im Schneedolch liegen, dem einzigen und damit höchsten Berg in der Umgebung. Elyssa stammte aus dem Geschlecht der Schneedolche, welches nach dem 


Berg benannt war. Ob diese Familie mit mir ihr Ende finden wird? 

Sie sah über den Rand der Klippe. Dahinter ging es relativ steil abwärts - für einen Menschen unmöglich, hier hoch zu kommen. Der Eingang zu dem Komplex über ihr musste weit oben liegen, so große Treppen, wie sie hierher 


überwunden hatte. Warum wusste niemand von dem Gewölbe in diesem Berg? So etwas ließ sich doch nicht so einfach übersehen... Vielleicht war der Eingang getarnt gewesen? Doch wie hatte dann ihr Vater her gefunden? 

Sie ließ ihren Blick über die Landschaft schweifen und merkte, wie ihr die Tränen kamen. All dies stand einst unter dem Schutz ihres Vaters. Jetzt war es der Willkür eines roten Drachen ausgeliefert, der mit diesen Ländereien 


anstellen konnte, was er wollte... Und sie wollte sich nicht vorstellen, was Saladrex hier machen würde. Den Anwohnern in den zahlreichen Dörfern stand eine harte Zeit bevor. Und indem sie Saladrex gewählt hatten, brachten sie 


sich ihr eigenes Verderben...

Sie ließ alles raus. Sie schrie wütend auf und begann, an die Wand zu treten, immer und immer und immer wieder, bis sie ihren Fuß vor Schmerzen kaum mehr spüren konnte. Dann setzte sie sich auf den Boden, vergrub die Hände 


im Gesicht und weinte. Sie schluchzte und weinte all die Wut und die Trauer aus, die sich in den letzten Stunden angesammelt hatten. Sie weinte und schrie und wand sich auf dem Boden, bis sie keine Kraft mehr hatte und nur 


noch stumm auf der Seite lag und Tränen vergoss. 

Sie wusste nicht, wie lange sie dort gelegen hatte, als sie die Flügelschläge ihres neuen Herren hörte.

 Schnell richtete sie sich auf, trocknete ihre Augen, so gut es ging und stellte sich neben den großen Eingang. 

Saladrex landete auf der Klippe und ging dann in seine Halle hinein.

Elyssa stand mit gesenktem Kopf da, um ihm nicht ihre geröteten Augen zu zeigen. 

Der Drache schien kurz zu schnuppern, sah sie abfällig an und warf ihr dann einen Beutel zu, den er in einer seiner Klauen getragen hatte. 

"Hier, das dürfte alles sein, was du benötigst!"

Sie ging zu dem Beutel und sah hinein. Sein Inhalt war ein grünes, gar nicht mal so hässliches Kleid, ein Brot und ein paar Früchte. Doch damit waren noch nicht alle ihre Bedürfnisse gedeckt... 


"Wo soll ich schlafen, Herr?"


Der Drache machte eine Geste, die bei einem Menschen wahrscheinlich ein Hochziehen der Augenbrauen hätte darstellen sollen.


"Du schläfst hier, bei mir!"


"Aber auf welchem Bett, Herr?"


"Auf welchem Bett? Was hast du denn für Ansprüche? Du wirst neben mir auf dem Boden schlafen! Oder ist dir das zu unangenehm?", fragte er mit Nachdruck.


Sie senkte den Kopf: "Nein, Herr."


"Gut! Du darfst dich dann hinlegen, ich habe für heute keine weiteren Aufgaben für dich."


Er legte sich vor seinen Schatzhaufen, rollte sich zusammen und legte seinen Kopf auf den Schwanz. Sie nahm sich die Nahrungsmittel, die er mitgebracht hatte und begann mit Heißhunger zu essen - schließlich hatte sie den 


ganzen Tag über nichts in den Magen bekommen. Die ganze Zeit über wurde sie dabei von dem Drachen beobachtet, für den es ein besonders faszinierender Anblick zu sein schien. Entweder hatte er noch nie einen Menschen essen 


sehen oder er dachte dabei seine eigene Ernährung, so wie er sie ansah. Schnell schüttelte sie den Gedanken ab und sah weg. Solange es keinen Grund gibt, wird er mich nicht töten. Und ich werde dafür sorgen, dass auch nie einen 


geben wird!

Nach einer Weile schloss der Drache seine Augen. Schon bald war er eingeschlafen. Elyssa überlegte, was sie jetzt tun sollte. Sollte sie vielleicht doch versuchen zu fliehen? Sie könnte bis ins nächste Dorf kommen und dort 


versuchen, sich zu verstecken... Nein, zu riskant! Sie konnte nicht riskieren, dass ihre Rache an Saladrex ausblieb. Ihre Seele würde keine Ruhe bekommen, sollte der Drache ihren Tod überleben. 

Sie würde sich Zeit lassen. 

Sie würde nicht überstürzt handeln. 

Sie würde ihn töten. 

Und sie würde sich von nichts und niemand davon abbringen lassen!

Doch das musste warten. Jetzt legte sie sich auf den harten Boden und versuchte zu schlafen. Sie wollte nicht zu nah an dem Drachen liegen und legte sich deswegen mitten in die Halle. 

Es war kalt. Sie drehte sich auf dem Boden immer wieder hin und her, in verzweifelter Suche nach einer bequemeren Lage. Sie wusste nicht wie und sie wusste nicht wann, aber nach langer Zeit, wie es ihr schien, gelang es ihr dann, 


einzuschlafen.Der Doktor

Drachenträne

(1. Teil)

(Der Bund von Torn)

auch unter: https://subkultur.drachenserver.de/index.htm

Sie kamen bei Nacht...

Sie stürmten ihr Haus...

Und sie nahmen sie mit...

Elyssa hatte gerade noch bei sich im Bett gelegen und friedlich geschlafen, als sich eine stinkende, dreckige Orkhand auf ihren Mund legte.

Im nächsten Moment war sie geknebelt und ihr wurde ein Sack über den Kopf gestülpt.

Dann wurde sie aus dem Bett gerissen und weggetragen.

Sie zappelte mit den Beinen und versuchte den Knebel irgendwie los zu werden, doch alles war nutzlos.

Sie konnte durch ihren Sack nur mehrere orkische Stimmen ausmachen, die sich in einer ihr unbekannten Sprache unterhielten, während sie durch die Nacht getragen wurde.

Da es keinen Sinn hatte, weiter seine Kräfte damit zu vergeuden, sich zu wehren, dachte sie lieber über ihre Situation nach -

denn sie wusste ziemlich genau, wer hinter ihrer Entführung steckte...

Es war nun ein halbes Jahr her, seitdem Saladrex gekommen war.

Sie wusste noch genau, dass die Nacht vor seiner Ankunft eine bedrohliche Atmosphäre hatte.

Die Hunde hatten verrückt gespielt und die ganze Nacht hindurch gebellt.

Immer wenn sie zum Fenster ging, hatte sie ein Gefühl, als ob sie beobachtet werden würde.

Und dann, am nächsten Morgen, stand er einfach so vor der Haustür: Ein schlanker, junger Mann, hoch gewachsen, mit kantigem Gesicht und braunem, kurzem Haar.

Eigentlich war er ziemlich hübsch, doch in seinen Augen lag ein Funkeln und ständig umspielte ein angedeutetes Lächeln seine Lippen, was sie von Anfang an misstrauisch machte. Er hatte mit heller, aalglatter Stimme gesagt:

"Oh, äh, hier wohnt doch der Protektor dieses Landstrichs, Edmund Schneedolch, oder?"

"Euch auch einen guten Morgen! Ja, der wohnt hier."

Ihr Haus war das Einzige im Umkreis von 2 Meilen - der Mann konnte sich schlecht im Haus getäuscht haben.

"Wen soll ich melden?"

"Gut, mein Name ist Saladrex, ich möchte ihn sprechen!", war die relativ barsche Antwort.

Sie sah ihn erst einmal an und fragte sich, ob sie ihn ob seines rüden Verhaltens zurechtweisen sollte, ließ es aber dann und ging zu ihrem Vater in die Küche - der Mann war ihr irgendwie unheimlich...

"Vater? Da ist ein gewisser Saladrex vor unserem Haus. Er möchte dich sprechen."

Ihr Vater war nun schon in die Jahre gekommen, aber immer noch ein relativ kräftiger und stämmiger Kerl.

"Hm, Saladrex? Noch nie gehört, den Namen... Warte hier, ich werde mit ihm reden."

Edmund ging in Richtung Haustür. Danach konnte sie die beiden Männer miteinander reden hören - doch worüber sie genau sprachen, verstand sie nicht. Nach einer Weile kam ihr Vater mit einem Stirnrunzeln auf dem Gesicht

zurück in die Küche.

"Und, was wollte er von dir?"

"Ein seltsamer Mensch... Er scheint hier neu zugezogen zu sein und wollte alles über die Ländereien und die Dörfer hier wissen.

Besonders interessiert war er an meiner Position als Protektor. Er hat mich alles darüber gefragt: Was der Protektor zu tun hat, wann er gewählt wird, wie das mit den Steuern ist...

Und dabei hat er mich dann die ganze Zeit ganz komisch angesehen. Irgendwie unheimlich, dieser Mann, findest du nicht?"

Sie nickte nur. Der Mann war ihr nicht unheimlich - sie hatte Angst vor ihm!

Ein paar Wochen später verschwanden dann die ersten Kinder aus Valyris, dem größten Dorf in der Umgebung.

Besorgte Eltern kamen zu ihnen nach Hause und baten ihren Vater um Hilfe.

Als Protektor war es schließlich seine Aufgabe, die Ländereien vor Räubern, Orks und sonstigen Übeln zu schützen.

Trotz seines fortgeschrittenen Alters erledigte er seine Aufgabe immer noch auf eigene Faust und das nicht einmal schlecht.

Er war nun schon seit 14 Jahren im Amt, da es noch nie ernsthafte Konkurrenten für diesen Posten gab. Das sollte sich in den nächsten Monaten jedoch ändern...

Ihr Vater zog also los, um die verschwundenen Kinder zu suchen, doch alles, was er herausfand, war, dass sie anscheinend von Orks verschleppt worden waren.

Und obwohl er das gesamte Land zur Suche nach den Kindern mobilisierte, war das Versteck der Monster nicht auszumachen.

Als man dann die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, kam Saladrex mit den verlorenen Kindern im Schlepptau nach Valyris.

Und alle Kinder erzählten ungefähr dieselbe Geschichte: Dass sie von den Orks verschleppt und in ein geheimes Lager gebracht worden waren und dass sie in

abgedunkelten Käfigen lange eingesperrt waren, bis sie schließlich eines Tages Kampfschreie im Lager der Orks hörten und sie dann von dem netten Saladrex gerettet wurden.

Die Eltern der verlorenen Kinder waren natürlich allesamt überglücklich und bedankten sich viele Male bei Saladrex.

Dies sollte sein erster Schlag gegen die Autorität ihres Vaters gewesen sein.

In den nächsten Wochen und Monaten gab es dann immer wieder Probleme mit Orks, Räubern, Monstern, Krankheiten und anderen Übeln, gegen die Elyssas Vater nichts,

sondern anscheinend nur Saladrex etwas ausrichten konnte. So war es dann auch nicht verwunderlich, dass ihr Vater in der Gunst des Volkes immer mehr sank und Saladrex die folgenden Wahlen zum neuen Protektor haushoch

gewann. Ihr Vater war besiegt. Doch, wie es so seine Art war, nahm er es auf die leichte Schulter und sagte:

"Lass mal gut sein, Elyssa! Ich bin bereits alt und schwach - es wird Zeit, dass jemand anders diesen Job übernimmt."

Sie dagegen nahm es überhaupt nicht auf die leichte Schulter. Saladrex hatte ihnen alles genommen: Geld, Arbeit, Freunde...

Das einzige, was blieb war ihre Hoffnung, irgendwie neu anfangen zu können.

Doch Saladrex schien noch nicht genug zu haben, wie ihre Entführung vermuten ließ - und sie war sich absolut sicher, dass Saladrex mit den Orks im Bunde stand.

"Wie lange wollt ihr mich denn noch hier im Nachthemd durch die Kälte tragen, ihr Drecksäcke? Und wäret ihr auch mal so freundlich, mir diese Kapuze ab zu nehmen?", fragte sie frierend. Die Orks gaben ihr keine Antwort.

Entweder verstanden sie ihre Sprache nicht oder sie wollten ihr nicht antworten...

Egal, es kam auf das Gleiche hinaus.

Nach einer kalten Ewigkeit, wie es ihr erschien, erzeugten die Schritte auf dem Boden plötzlich einen Hall.

Sie hatten also irgendein großes Gebäude oder eine Höhle betreten.

Es kam ihr auch vor, als wären sie durch eine unsichtbare Barriere geschritten und die kalte Luft der Nacht verwandelte sich in eine wohlige Wärme.

Kurz darauf ging es eine Treppe hinunter, immer weiter abwärts.

Elyssa fragte sich schon, ob dies die Treppe direkt in die Hölle sei, da ging es waagerecht weiter.

Nach kurzer Zeit hielt der Ork, der sie trug, an.

Die Kapuze wurde ihr abgenommen und sie wurde auf den Boden gestellt.

Es war ein verdammt gutes Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und nicht die ganze Zeit auf einem schwankenden Orkrücken durch die Landschaft transportiert zu werden.

Sie stand nun in einer kleinen Zelle und die Orks machten sich gerade daran, den kleinen Raum zu verlassen und die vergitterte Tür, die ihn von dem Gang dahinter abtrennte, zu zu schließen. Bevor Elyssa etwas sagen konnte,

waren sie außer Sicht.

Na toll!, dachte sie sich und sah sich in ihrer Gefängniszelle um. Die einzige Einrichtung, die es hier gab, war eine kleine Pritsche und ein dreckiger, stinkender Nachttopf. Machen wir das Beste draus!

Sie legte sich hin - die Nacht war für sie schließlich sehr kurz gewesen - und schlief, trotz der mehr als ungemütlichen Pritsche, wieder ein.

Sie wachte auf, als ein Ork ihre Zelle aufschloss. Sie kam schnell aus ihrem ungemütlichen Bett und stellte sich an die Wand.

Der Ork betrachtete sie seltsam. Er hielt ein Tuch in der Hand - es war eine Augenbinde.

"Oh nein! Keine Augenbinden mehr! Hat Saladrex Angst, dass ich mich über seine lächerliche Gestalt lustig mache oder warum muss er mir unbedingt die Augen verbinden?", fragte sie trotzig.

"Saladrex hat befohlen und Befehl muss ausgeführt werden, ansonsten Saladrex böse. Nicht gut, wenn Saladrex böse sein, er dann schlimm Ding tun!", war die gebrochen gesprochene Antwort des Orks.

Sie hatte also Recht gehabt. Saladrex steckte hinter ihrer Entführung.

"Oh, was macht er denn Schlimmes? Läuft er rot an und schreit herum?", fragte sie schnippisch.

Der Ork lachte auf: "Haha! Guter Witz! Rot anlaufen! Haha!"

Elyssa verstand nicht, was daran so lustig war. Vielleicht laufen Orks nicht rot an?

Der Ork sprach weiter: "Nein, Meister hat befohlen! Du kriegen Augenbinde!"

Er kam auf sie zu und machte Anstalten, ihr die Augenbinde umzulegen, doch sie wehrte seinen Arm ab. Er schaute sie mit seinen Schweinsäuglein nur schief an - und schlug ihr dann ins Gesicht, so heftig, dass sie durch den Raum

stolperte und auf ihre Pritsche fiel. Noch während sie benommen war, legte der Ork ihr schnell die Augenbinde um und zurrte sie fest. Dann zog er sie brutal hoch und zerrte sie aus ihrer Zelle hinaus und den Gang herunter.

Nachdem sie um mehrere Kurven und durch mehrere Gänge oder Räume gegangen waren, sagte der Ork:

"Achtung, Treppe!"

Dann nahm er sie dichter an seinen stinkenden Körper. Jeder Versuch, sich zu wehren, war vergeblich, der Griff des Orks war hart wie Stahl. Schritt für Schritt ging es also die Treppe hinunter. Die Stufen erschienen ihr unnatürlich

groß und diese Treppe kam ihr fast genauso lang vor, wie die erste. Irgendwann müsste ich aber wirklich in der Hölle angekommen sein...

Aber auch diese Treppe hatte irgendwann ein Ende. Ihre Schritte erzeugten nun wieder einen Hall, sie befanden sich also in einer großen Halle. Eine Stimme ertönte:

"Ah! Da ist die Kleine ja!"

Es war eindeutig Saladrex' Stimme. Sie klang jedoch irgendwie unwirklich und fern, wie in einem Traum. Dennoch hatte sie nichts von ihrer eigenen, ruhigen Schärfe eingebüßt.

"Sie ist verletzt!", sagte die Stimme.

Und der Ork neben ihr antwortete, noch während sie liefen:

"Ich sie schlagen musste, Meister, sie nicht bereit, sich Augenbinde anlegen lassen und ihr befohlen hattet..."

"Ich weiß, welchen Befehl ich gegeben habe, und zwar, dass ihr unter keinen Umständen ein Leid zugefügt werden darf!", unterbrach ihn Saladrex wütend.

Innerlich war sie schadenfroh. Jetzt hatte der rüde Ork ihn doch noch wütend gemacht! Ihr Peiniger ließ sie nun los.

"Aber nur wollten...", stammelte er.

Saladrex erwiderte nur: "Ich habe keinen Nutzen für Untergebene, die meine Befehle nicht befolgen!"

Irgend jemand holte tief und vor allem laut Luft. Dann gab es ein seltsames, rauschendes Geräusch, neben ihr ertönte der Schrei des Orks und ein Schwall extremer Hitze überkam sie.

Elyssa schrie ebenfalls auf. So schnell, wie sie gekommen war, war die Hitze auch wieder weg.

"Entschuldige! Diese rohe und ungehobelte Behandlung ist nicht meine Absicht - jedenfalls noch nicht!", sagte die Stimme Saladrex' nun etwas freundlicher.

"Was...was soll das alles? Warum die Augenbinde? Warum überhaupt die ganze Folter für mich und meinen Vater, wir haben euch nichts getan!", sagte sie, langsam von Angst in Wut übergehend.

Saladrex lachte ein böses, kleines Lachen über ihre Eskapaden.

"Tut mir leid, Elyssa, aber das ist alles nötig! Jetzt gerade habe ich doch gefallen daran gefunden, deinen Vater ein wenig zu ärgern...", während er dies sagte, schien sich seine Stimme von einem Punkt rechts von ihr sich über ihren

Kopf hinüber auf ihre linke Seite zu bewegen.

"Ihn ärgern? Ihr habt sein und damit auch mein ganzes Leben zerstört! Ihr findet das wohl witzig?", sie war völlig entrüstet.

"Irgendwie schon, ja! Aber er war natürlich auch mein Konkurrent - und nirgendwo steht geschrieben, dass man die Wahl zum Protektor nicht mit ein wenig...unkonventionellen Mitteln beeinflussen durfte...", seine Stimme

wanderte nun um sie herum und schien immer woanders her zu kommen, was sie langsam zum Ausrasten brachte:

"JETZT HÖRT AUF MIT DIESEN SPIELCHEN UND NEHMT MIR DIESE AUGENBINDE AB ODER ICH WERDE KEIN WORT MEHR MIT EUCH REDEN, KLAR?"

Ein seltsames Geräusch, eine Art Schnauben ertönte, dann wieder Saladrex' Stimme, diesmal wieder direkt vor ihr:

"Nun gut, ich sehe schon, du meinst es ernst"

Die Augenbinde an ihrem Kopf knotete sich wie von selbst auf und fiel ab, so dass sie Saladrex erblickte.

Nun, Elyssa hatte in ihrem Leben noch nie zuvor einen Drachen gesehen, doch das gigantische Biest, dessen Schnauze sich nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht befand und das sie mit großen, gelben Augen anstarrte, musste

wohl einer sein.

Der Drache sagte: "Buh!", was seine Wirkung nicht verfehlte - Elyssa fiel in Ohnmacht.

Als sie wieder zu Bewusstsein kam, lag sie in einem Kreis aus roten Schuppen. Wie eine Mauer ragte der mit Stacheln besetzte Körper des Tieres um sie herum auf.

Oh Gott, der muss mindestens 30 Meter lang sein!, dachte sie. Auf seinem Kopf saßen zwei elegant nach hinten geschwungene Hörner und die beiden gelben Augen darunter schienen sie noch immer belustigt anzustarren. Als sie

ihn so betrachtete, fiel ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit seiner menschlichen Gestalt auf. Er war zwar in gewisser Weise schön, doch gleichzeitig auch gefährlich und zwielichtig.

Nach mehreren Minuten des Anstarrens unterbrach die schneidende Stimme des Drachen die Stille: "Ich finde das immer wieder faszinierend, wie mich die Menschen anstarren, wenn sie mich das erste Mal sehen... Meistens ist es

jedoch auch das Letzte, was sie je sehen."

Er machte etwas, dass wohl ein Lächeln sein sollte.

Irgendwie schaffte sie es, sich zusammen zu raffen und zu sagen:

"Was soll das alles hier? Ihr seid doch Saladrex oder?"

"Nein, ich bin sein Schoßtier!", erwiderte er sarkastisch,

"Und was das alles hier soll, fragst du? Nun, ich will es dir erklären: Wenn ein Drache sich irgendwo niederlässt, nimmt er gleichzeitig Anspruch auf ein großes Gebiet rund um seinen Hort.

Sicher wäre es in meiner wahren Gestalt sehr viel einfacher gewesen, dieses Gebiet für mich zu erobern, doch es hätte nur zu viel Aufmerksamkeit erregt, wenn auf einmal nicht mehr Edmund Schneedolch,

sondern der Drache Saladrex die Ländereien hier beherrscht. Sofort hätte jeder gewusst: "Oh, im Schneedolch lauert ein garstiger Drachen!" Du weißt gar nicht, wie es nervt, ständig in Sorge zu sein, dass einem selbst nach

kurzzeitigem Verlassen der Höhle die Hälfte des mühsam angesammelten Schatzes fehlt!

Nun, die Methode, die ich angewandt habe, um Protektor zu werden, war viel unauffälliger - es bleibt nur der eklige Nachgeschmack, dass ich all diese Menschen "retten" musste...

Aber ich habe ihnen ihr Leid ja auch zugefügt, das gleicht die ganze Sache auch wieder ein wenig aus.

Nun, leider wird es sich nicht sehr lange vermeiden lassen, meine wahre Identität vor der Öffentlichkeit zu verbergen - aber dann können sie meinetwegen alle ankommen und sterben!",

zum Schluss schien er bloß noch mit sich selbst zu sprechen. Seine Selbstliebe machte sie schon jetzt krank.

"Und wie wollt ihr das mit eurem Protektor-Job regeln?", fragte sie ihn, halb aus Neugier, halb, um ihn von sich abzulenken - wer so lange über sich selbst redet, kümmert sich nicht mehr um andere.

"Oh, natürlich werde ich hier nicht für alle Zeiten unbehelligt leben können, aber meine Höhle ist gut versteckt.

Außerdem bekomme ich mit meiner "Arbeit" als Protektor, noch nebenbei ein wenig Gold für meinen Hort. Soweit habe ich da alles geklärt.

Doch eine Sache ist noch zu erledigen... Dein Vater muss leider aus dem Weg geschafft werden!

Es hat macht zwar Spaß, ihn zu quälen, doch er ärgert sich ja kaum, was mir den Spaß auch ein wenig lindert...

Wie auch immer, er wird demnächst hier aufkreuzen, dafür habe ich gesorgt.", sagte er mit einem bedeutungsschwangeren Blick auf sie.

Entsetzen füllte sie. Er wollte mit ihrer Entführung Edmund hierher locken, um ihn dann umzubringen - und um wahrscheinlich hinterher mit ihr das Gleiche zu tun.

"Bitte... Bitte lasst meinen Vater leben! Er hat euch doch nie etwas getan und ich bin sicher, er würde euch auch nie etwas antun! Er hätte euch hier wahrscheinlich sogar in Frieden leben lassen, unbehelligt von der Außenwelt!",

rief sie verzweifelt.

Saladrex lachte auf: "Ha, mir etwas antun! Weißt du, es ist mir egal, was dein Vater über mich denkt. Fakt ist: Er ist der Protektor dieses Landes und wir Drachen

fügen uns niemals irgend einem menschlichen Herrscher, und wenn er noch so lieb und nett ist!"

"Dann...dann nehmt mich als eure Sklavin und verschont ihn, ich bitte euch..."

"Ich sagte nein und es bleibt dabei! Sobald er hier ankommt, weiß er über meine wahre Natur Bescheid und das kann ich nicht durchgehen lassen!

Und wozu sollte ich eine Sklavin benötigen? Völlig nutzlos!", sagte er nun etwas ärgerlicher.

"Ich könnte..."

"HALT DIE KLAPPE!!!", brüllte er. Sie erkannte, dass es besser war, ihn nicht noch weiter zu provozieren. Das hätte wahrscheinlich ein böses Ende genommen.

Dann hörte sie Schritte. Als sie sich umdrehte, sah sie einen Ork die Treppe herunter kommen. Er blieb vor dem Drachen stehen, verbeugte sich und sagte:

"Meister! Mensch in unsere Höhle eingedrungen, wie geplant ihr habt - einige von uns gegen ihn kämpfen."

"Sehr gut, doch werft ihm nicht zu viele entgegen, er soll doch bis hier durch kommen!"

"Ja, Meister!", der Ork verbeugte sich wieder, drehte sich um und ging fort.

Ihr Vater war also auf direktem Kurs ins Verderben... Mit den Orks wurde er spielend fertig, mit so einer Plage hatte er ja schon mehrmals zu tun. Ein Drache war da ein ganz anderes Problem.

"So, du wirst jetzt brav den Mund halten meine Süße, das ist eine Sache zwischen mir und deinem Vater!"

"Aber..."

"Ich sagte Mund halten!", er machte eine Bewegung mit seinen messerscharfen Klauen und sie verstummte.

Dann richtete er sich auf und deutete an eine Wand der riesigen Halle.

"Stell dich da hin!"

Wortlos folgte sie seiner Aufforderung. Erst jetzt fiel ihr auf, wie groß der Raum war:

Von einem Ende zum anderen maß er mindestens 100 Meter und die Decke befand sich weit über ihrem Kopf. Wozu dieser Raum einmal gedient haben mochte? Es sah aber so aus, als wäre sämtliche Einrichtung schon vor Jahren

entfernt worden.

Im hinteren Teil des Raumes war ein riesiges Loch in der Wand. Vor dem Loch lag ein großer Berg aus Schätzen. Goldmünzen, Truhen, kostbar aussehende Schwerter, prunkvoll verzierte Bücher - sie wagte nicht, abzuschätzen, wie

viel das alles wert sein mochte. Erst das erneute Geräusch von Schritten lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die große Treppe.

Ihr Vater kam mit gezogenem, blutigem Schwert diese Treppe hinunter.

Als er den Drachen sah, erstarrte er in seiner Bewegung.

Was er jetzt wohl denkt?, fragte sie sich. Dann fiel Edmunds Blick auf sie.

Langsam und ohne den Blick von dem Drachen abzuwenden, bewegte er sich langsam in ihre Richtung und sagte:

"Geht es dir gut Schatz?"

"Ich denke schon...", war ihre Antwort.

"Gut...", sagte er zu ihr, dann zu dem Drachen, "Saladrex, nehme ich an?"

"Versucht gar nicht erst, sie zu erreichen, das werde ich schon zu verhindern wissen.", antwortete Saladrex.

Ihr Vater blieb stehen.

Dann sagte er: "Hört mal, ich möchte keinen Ärger mit euch, ich möchte einfach nur meine Tochter zurück haben und in Frieden leben können, ist das denn zu viel verlangt?"

"In gewisser Weise schon, ja! Ich kann zwar verstehen, dass ihr Euch nicht mit mir anlegen wollt, aber durch Euer Eindringen hier habt Ihr das leider zwangsläufig getan.

Ihr versteht, dass ich euch nicht in der Weltgeschichte herumlaufen lassen kann, während ihr überall Drachentöter anheuert und fröhlich heraus posaunt, dass ich hier oben wohne?", war die Antwort des Drachen.

"Ich habe nicht vor, irgend jemandem zu erzählen, dass ihr hier haust, noch habe ich vor, eure Schätze zu stehlen, noch möchte ich euch töten, noch euch sonst irgendwie Schaden zufügen! Ich möchte nur Elyssa wieder haben!"

"Oh, Ehr glaubt doch wohl selber nicht, dass Ihr keine Hassgefühle für mich hegt! Ich habe Euch alles genommen! Alles, außer eines: Euer kleines, erbärmliches Leben! Es liegt in Trümmern, es ist doch sowieso nicht mehr viel

wert, oder?"

"Doch! Solange meine Tochter lebt, hat mein Leben noch einen Sinn! Sogar mein Tod hätte noch einen Sinn, wenn Elyssa dafür leben könnte. Also, stellt mit mir an, was ihr wollt, aber lasst sie frei, ich bitte euch!", die Stimme ihres

Vaters blieb die ganze Zeit über erstaunlich ruhig - sie bewunderte ihn dafür.

Der Drache nahm eine Klaue hoch und rieb sich das Kinn.

"Hmm, nun gut, ich will euch noch eine Chance geben: Wir spielen ein kleines Spiel! Es geht um Alles oder Nichts. Wenn ihr gewinnt, dürft ihr gehen und eure Tochter darf Euch begleiten - doch ich warne euch: Wenn ihr auch nur

einem anderen Lebewesen von mir erzählt, seid Ihr tote Menschen! Ich habe Wege und Mittel, dies heraus zu finden.

Solltet Ihr verlieren, werdet ihr sterben - und eure Tochter hier wird euch folgen!"

"Was ist das für ein Spiel?", fragte Edmund misstrauisch.

"Kämpft gegen mich! Solltet ihr länger als 2 Minuten überleben, schenke ich euch eure Freiheit!", der Drache grinste.

Elyssa fuhr empört auf:

"Das ist doch völlig unfair! Er hat überhaupt keine Chance gegen Euch!"

"Elyssa, bitte! Misch dich da nicht ein!", sagte ihr Vater mit einem Seitenblick.

"Aber..."

"Ich sagte misch dich nicht ein!", unterbrach er sie mit Nachdruck und richtete sich wieder an Saladrex,

"Ich gehe auf Euer Angebot ein, aber nur unter einer Bedingung: Kein Feuer, keine Magie eurerseits! Eure körperlichen Waffen gegen mich und mein Schwert! Zwei Minuten! Keine Sekunde länger!"

Saladrex grinste. Dann öffnete er eine Klaue und schloss die Augen. Eine kleine Sanduhr erschien. Er stellte sie neben Elyssa ab.

"Du wirst unser Schiedsrichter sein, Süße! Wenn ich Los! sage, drehst du die Sanduhr um, wenn die Sanduhr abgelaufen ist, schreist du Stopp!, alles klar? Und wehe du schummelst!", richtete er sich an sie, wie an ein kleines Kind,

dem man eine simple Aufgabe ganz langsam erklären musste.

"Vater...", setzte sie an, doch er unterbrach sie wieder:

"Nein Elyssa, bitte, versuch nicht, mich davon abzubringen! Du weißt, dass es unsere einzige Chance ist! Und jetzt setz dich dort hinten hin, wo du sicher bist und spiele deine Rolle als Schiedsrichter!

Es sind nur zwei Minuten...und vielleicht bin ich doch nicht so schwach, wie ich immer behaupte", sagte er mit einem Augenzwinkern.

Dann wandte er sich dem Drachen zu, während sie aufstand und die Sanduhr mit sich nahm. Weiter hinten in der Höhle nahm sie Platz und stellte die Sanduhr vor sich auf den Boden.

Saladrex richtete sich auf und breitete seine Flügel aus - es schien, als würde er sich strecken. Dann faltete er sie wieder zusammen und sagte laut:

"Los!"

Elyssa drehte die Sanduhr um und die winzigen Sandkörnchen begannen durch den Hals der Uhr zu rieseln.

Zuerst starrten sich die beiden konzentriert an, der gigantische Drache, der mit seiner Gestalt den Raum in der Breite fast ganz ausfüllte und der kleine Mann mit seinem treuen Schwert, dass wie eine Stecknadel im Vergleich zu

seinem Gegner wirkte.

Plötzlich zuckte der lange Schwanz des Drachen vor, um Edmund von den Füßen zu fegen, doch Elyssas Vater sprang geschickt hoch, um sich danach gleich unter einem folgenden Klauenhieb zu ducken. Und schon folgte der

nächste Hieb, dem er sich mit einer gewandten Drehung entzog. Dann kam der riesige Kopf des Ungeheuers herunter geschnellt, um ihn mit seinen riesigen Zähnen zu zerreißen. Edmund warf sich flach auf den Boden und kurz

über ihm schnappte das riesige Gebiss zu. Bevor der Drache merkte, dass er ins Leere gebissen hatte, rollte sich ihr Vater unter dem gewaltigen Schädel hervor und richtete sich genau unter dem Drachen wieder auf. Einen weiteren

Klauenhieb lenkte er mit seinem Schwert von sich ab, doch dessen Wucht riss ihn zu Boden. Den Sturz fing er mit einer Vorwärtsrolle ab und kam auf den Rücken zu liegen. Schnell richtete er sein Schwert auf und erdolchte damit

den auf ihn herunter kommenden Fuß. Der Drache brüllte auf vor Schmerz und riss die Klaue wieder nach oben, was Edmund allerdings sein Schwert kostete. Der Drache zog sich abfällig das Schwert aus dem Fuß, während ihr

Vater die Zeit nutzte, um Abstand zu gewinnen. Sie konnte ihn nun nicht mehr sehen, da die riesige Gestalt des Drachen die Sicht versperrte. In der Aufregung hatte sie ganz vergessen, auf die Sanduhr zu sehen. Der gesamte Sand

war fast durchgerieselt.

"Vater, die Zeit ist gleich um!", rief sie.

Dass das ihren Vater das Leben kostete, sollte sie nie erfahren. Nach ihrem Ruf war Edmund kurz in seiner Konzentration unterbrochen und wollte zu Elyssa sehen, die durch den riesigen Drachen jedoch verdeckt war.

Er sollte sie nie wieder sehen.

Saladrex nutzte den winzigen Moment der Unachtsamkeit und hieb mit der verletzten Klaue nach Edmund. Er sprang zwar zurück, doch seine Reaktion kam einen Moment zu spät. Er wurde mitten im Sprung getroffen und zur

Seite geschleudert. In der Luft drehte er eine bizarre Pirouette und blieb dann bäuchlings auf dem Boden liegen. Ein roter Teppich begann sich unter ihm auszubreiten.

Saladrex sagte lakonisch: "Ups!"

Elyssa rief: "Die Zeit ist um!"

Der Drache bewegte eine Klaue und drehte Edmunds Körper auf den Rücken. Er hatte ihm die gesamte Bauchdecke weggerissen. Doch der widerwärtige Anblick kümmerte ihn wenig. Viel mehr interessierte er sich für die immer

noch offen Augen, die ihn ansahen. Blut lief Edmund aus dem Mund, doch irgendwie konnte er noch folgendes röchelnd hervorbringen:

"ich...lebe...no...noch..."

Saladrex holte wütend Luft und spie einen weißglühenden Feuerstrahl, der Edmund zu Asche verbrannte.

Elyssa schrie auf und rannte auf den Drachen zu. Dieser sah seine verletzte Klaue an - es hingen noch immer ein paar von Edmunds Innereien daran. Er schüttelte sie achtlos ab und zog sich das Schwert heraus. Dann kam Elyssa

an, sah die Überreste ihres Vaters und blieb fassungslos stehen.

"Nein!", flüsterte sie. Tränen sammelten sich in ihren Augen.

Der Drache sah sie schief an und sagte: "Oh, tut mir leid für dich! Weißt du, er war gar kein so schlechter Kämpfer - der Kampf hat direkt Spaß gemacht!"

Die Trauer verwandelte sich in blinden Hass. Mit Tränen in den Augen begann sie auf den Fuß des Drachen einzuschlagen und einzutreten und schrie dabei:

"Du verdammter Bastard! Scheißkerl! Mörder! MÖRDER!!!"

"Ach halt doch die Klappe, Winzling!", war seine wütende Antwort und er schlug mit der Rückhand nach ihr.

Der Schlag war so heftig, dass er sie mehrere Meter weit weg schleuderte, wo sie benommen vor Schmerzen liegen blieb. Der Drache erschien über ihr, mit einem Blick, in dem so viel Wut lag, dass er Eis hätte schmelzen können.

Gleich wird er mich töten, dachte sie und schloss die Augen.

Doch der tödliche Streich fiel nicht. Irgendwann öffnete sie ihre Augen wieder und sah einen sitzenden Drachen vor sich, der laut nachdachte.

"Hm...hm...ja...ja! Ja! Weißt du, ich habe dein Angebot noch einmal durchdacht - vielleicht brauche ich ja doch eine kleine Gehilfin... Du darfst meinetwegen als meine Sklavin weiterleben. Oder du kannst hier an Ort und Stelle

sterben - die Todesart darfst du frei wählen. Deine Entscheidung: Leben? Oder Sterben?"

Sie richtete sich wieder auf. Der Schmerz war fast unerträglich, doch sie zwang sich zum Nachdenken.

Lieber würde ich sterben, als diesem Monster als Sklavin zu dienen! Doch andererseits... Vielleicht bietet sich mir irgendwann eine Möglichkeit zu entkommen? Ich würde es ihm heimzahlen!

Ich würde die besten Drachentöter anheuern, die es gibt und dann würde ich ihn leiden lassen. 2 Minuten lang. Oh, es würden die längsten 2 Minuten seines Lebens sein!

Sie stellte sich vor, wie ihre Drachentöter Saladrex langsam folterten, wie sie ihm die ganze Zeit eine seiner bescheuerten Sanduhren vor die Nase hielt

und wie sie ihm zum Schluss das Schwert ihres Vaters direkt in den Kopf rammen würde. Ein süßer Gedanke in dieser schrecklichen Situation.

"Wie lautet deine Entscheidung, Elyssa? Sklaverei oder Tod?", fragte er sie mit einem kalten, durchdringenden Blick.

Sie schaute auf den Boden.

"Ich stehe zu eurer Verfügung...Herr.", war ihre Antwort.

"Oh, eine weise Entscheidung, meine kleine Elyssa, wahrhaft weise! Nun gut! Erst einmal: Solltest du deine Arbeit schlecht machen, werde ich dich bestrafen. Solltest du versuchen zu fliehen, werde ich dich töten. Solltest du

versuchen, mir Schaden zuzufügen, werde ich dich langsam töten - so langsam, dass es dir wie eine Ewigkeit vorkommen wird. Hast du das verstanden?"

"Ja, Herr!", antwortete sie demütig.

"Gut! Vielleicht werde ich dich ja irgendwann mal freilassen...vielleicht werde ich dich auch irgendwann töten...mal sehen. Noch Fragen?"

"Ja Herr! Was soll ich als eure Dienerin machen?"

"Hm...du könntest damit anfangen, den Dreck, den dein Vater hier verursacht hat, wegzuräumen.", sagte er mit bösem Unterton.

Die Worte trafen sie wie ein Peitschenschlag. Doch sie zwang sich dazu ein "Ja, Herr!", hervor zu pressen.

"Gut! Hol dir von den Orks irgendwas zum Saubermachen!"

Sie überlegte: Das ist meine Chance, ich könnte versuchen zu fliehen. Aber wie lange wird er benötigen, um herauszufinden, dass ich weg bin? Wie lange wird er brauchen, um mich zu finden?

Nein, jetzt kann ich noch nicht fliehen. Also, spiele den braven Sklaven, Elyssa. Irgendwann kommst du hier raus und zahlst es ihm heim...irgendwann...

Kurze Zeit später stand sie wieder vor der Asche ihres Vaters. Unter der ständigen Aufsicht von Saladrex machte sie sich daran, mit einem Besen die Überreste Edmunds auf ein Tuch zu fegen und dachte dabei: Nicht nachdenken,

Elyssa, nicht nachdenken! Er will dich nur quälen, wie er es mit deinem Vater getan hat... Und hat sich dein Vater davon beirren lassen? Nein, er hat gesagt: Solange es noch Hoffnung gibt, ist das Leben lebenswert. Sie wiederholte

es immer wieder: Solange es noch Hoffnung gibt... Das gab ihr Kraft mit ihrer schrecklichen Arbeit fertig zu werden. Als sie fertig war, legte sie das Tuch zusammen und fragte den Drachen mit der ruhigsten Stimme, die sie sich

aufzwingen konnte:

"Habt Ihr noch weitere Aufgaben für mich, Herr?"

Ein Funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass Saladrex leicht verärgert darüber zu sein schien, dass sie sich so ruhig gab.

Doch er antwortete ihr mit der gleichen Ruhe: "Nein, das soll fürs erste einmal genug sein. Du bist ja sicherlich ganz fertig! Ich werde jetzt ausfliegen und dir ein wenig Kleidung und was zu essen besorgen - wir wollen ja nicht, dass

du gleich eingehst, nicht wahr?"

Er wusste, wie hart er sie mit diesem väterlichen Gehabe traf. Doch sie hatte nicht vor, sich davon beeinflussen zu lassen, darum antwortete sie nur mit einem "Danke, Herr!"

Er warf ihr nochmals einen seltsamen Blick zu, drehte sich dann um, ging zu dem großen Loch in seiner Höhle, breitete die Flügel aus, stieß sich vom Rand ab und flog weg. Sie stand nun alleine in der großen Halle und nutzte die

Zeit, um sich umzusehen. Zuerst ging sie zu dem großen Loch, aus dem eben noch Saladrex' mächtiger Körper verschwunden war. Die steinernen Ränder des Lochs waren glasiert, wie weggeschmolzen. Anscheinend hatte sich der

Drache den Eingang zu seiner neuen Heimat in den Fels gebrannt. Vor ihr breiteten sich die Ländereien ihres Vaters aus.

Ex-Ländereien, verbesserte sie sich in Gedanken. Saladrex' Höhle musste im Schneedolch liegen, dem einzigen und damit höchsten Berg in der Umgebung. Elyssa stammte aus dem Geschlecht der Schneedolche, welches nach dem

Berg benannt war. Ob diese Familie mit mir ihr Ende finden wird?

Sie sah über den Rand der Klippe. Dahinter ging es relativ steil abwärts - für einen Menschen unmöglich, hier hoch zu kommen. Der Eingang zu dem Komplex über ihr musste weit oben liegen, so große Treppen, wie sie hierher

überwunden hatte. Warum wusste niemand von dem Gewölbe in diesem Berg? So etwas ließ sich doch nicht so einfach übersehen... Vielleicht war der Eingang getarnt gewesen? Doch wie hatte dann ihr Vater her gefunden?

Sie ließ ihren Blick über die Landschaft schweifen und merkte, wie ihr die Tränen kamen. All dies stand einst unter dem Schutz ihres Vaters. Jetzt war es der Willkür eines roten Drachen ausgeliefert, der mit diesen Ländereien

anstellen konnte, was er wollte... Und sie wollte sich nicht vorstellen, was Saladrex hier machen würde. Den Anwohnern in den zahlreichen Dörfern stand eine harte Zeit bevor. Und indem sie Saladrex gewählt hatten, brachten sie

sich ihr eigenes Verderben...

Sie ließ alles raus. Sie schrie wütend auf und begann, an die Wand zu treten, immer und immer und immer wieder, bis sie ihren Fuß vor Schmerzen kaum mehr spüren konnte. Dann setzte sie sich auf den Boden, vergrub die Hände

im Gesicht und weinte. Sie schluchzte und weinte all die Wut und die Trauer aus, die sich in den letzten Stunden angesammelt hatten. Sie weinte und schrie und wand sich auf dem Boden, bis sie keine Kraft mehr hatte und nur

noch stumm auf der Seite lag und Tränen vergoss.

Sie wusste nicht, wie lange sie dort gelegen hatte, als sie die Flügelschläge ihres neuen Herren hörte.

Schnell richtete sie sich auf, trocknete ihre Augen, so gut es ging und stellte sich neben den großen Eingang.

Saladrex landete auf der Klippe und ging dann in seine Halle hinein.

Elyssa stand mit gesenktem Kopf da, um ihm nicht ihre geröteten Augen zu zeigen.

Der Drache schien kurz zu schnuppern, sah sie abfällig an und warf ihr dann einen Beutel zu, den er in einer seiner Klauen getragen hatte.

"Hier, das dürfte alles sein, was du benötigst!"

Sie ging zu dem Beutel und sah hinein. Sein Inhalt war ein grünes, gar nicht mal so hässliches Kleid, ein Brot und ein paar Früchte. Doch damit waren noch nicht alle ihre Bedürfnisse gedeckt...

"Wo soll ich schlafen, Herr?"

Der Drache machte eine Geste, die bei einem Menschen wahrscheinlich ein Hochziehen der Augenbrauen hätte darstellen sollen.

"Du schläfst hier, bei mir!"

"Aber auf welchem Bett, Herr?"

"Auf welchem Bett? Was hast du denn für Ansprüche? Du wirst neben mir auf dem Boden schlafen! Oder ist dir das zu unangenehm?", fragte er mit Nachdruck.

Sie senkte den Kopf: "Nein, Herr."

"Gut! Du darfst dich dann hinlegen, ich habe für heute keine weiteren Aufgaben für dich."

Er legte sich vor seinen Schatzhaufen, rollte sich zusammen und legte seinen Kopf auf den Schwanz. Sie nahm sich die Nahrungsmittel, die er mitgebracht hatte und begann mit Heißhunger zu essen - schließlich hatte sie den

ganzen Tag über nichts in den Magen bekommen. Die ganze Zeit über wurde sie dabei von dem Drachen beobachtet, für den es ein besonders faszinierender Anblick zu sein schien. Entweder hatte er noch nie einen Menschen essen

sehen oder er dachte dabei seine eigene Ernährung, so wie er sie ansah. Schnell schüttelte sie den Gedanken ab und sah weg. Solange es keinen Grund gibt, wird er mich nicht töten. Und ich werde dafür sorgen, dass auch nie einen

geben wird!

Nach einer Weile schloss der Drache seine Augen. Schon bald war er eingeschlafen. Elyssa überlegte, was sie jetzt tun sollte. Sollte sie vielleicht doch versuchen zu fliehen? Sie könnte bis ins nächste Dorf kommen und dort

versuchen, sich zu verstecken... Nein, zu riskant! Sie konnte nicht riskieren, dass ihre Rache an Saladrex ausblieb. Ihre Seele würde keine Ruhe bekommen, sollte der Drache ihren Tod überleben.

Sie würde sich Zeit lassen.

Sie würde nicht überstürzt handeln.

Sie würde ihn töten.

Und sie würde sich von nichts und niemand davon abbringen lassen!

Doch das musste warten. Jetzt legte sie sich auf den harten Boden und versuchte zu schlafen. Sie wollte nicht zu nah an dem Drachen liegen und legte sich deswegen mitten in die Halle.

Es war kalt. Sie drehte sich auf dem Boden immer wieder hin und her, in verzweifelter Suche nach einer bequemeren Lage. Sie wusste nicht wie und sie wusste nicht wann, aber nach langer Zeit, wie es ihr schien, gelang es ihr dann,

einzuschlafen.